338. Besondere Gebräuche und Gewohnheiten im Oberamt Freudenstadt.

[394] Bei Hochzeiten. Der Hochzeitlader, mit Bändern und Strauß geschmückt, ladet unter Hersagen eines Spruches zur Hochzeit. Die Hochzeiterin wird am Hochzeitmorgen (auf dem Lande) von einer oder zwei »Gspielen« und »Gesellen« nebst dem »Auffänger« mit Musikbegleitung in das Haus des »Hochzeiters« (Bräutigams)[394] geleitet. Ist sie aus einem andern Ort gebürtig, so wird sie in einem Gefährte, das nicht selten von ledigen Burschen und andern Personen zu Pferd und Wagen und von der Musik begleitet, abgeholt. Im Hause des Bräutigams wird dann, ehe der festliche Zug in die Kirche stattfindet, die sog. Morgensuppe, aus Kaffee, Wein, Brod, Käse etc. bestehend, eingenommen. Während des Abholens der Braut und des Ganges in die Kirche werden fortwährend von ledigen Burschen Pistolen abgefeuert. In einigen Orten eröffnen sogar die »Schießer« den Hochzeitszug. An den Altar begibt sich die Braut und der Bräutigam, jedes für sich oder erstere vom Brautführer, einem mit ihr verwandten verheirateten Manne, geführt. Vom Altar wird sie vom Brautführer, oder wenn sie keinen solchen hat, vom »Auffänger«, einem ledigen Burschen, abgeholt, worauf sich der Zug, die Gespielin gleichfalls am Arm eines »Auffängers«, der Bräutigam und der Geselle allein, in das Wirtshaus begibt. Hier eröffnen zwei oder drei Paar den Tanz, nämlich der Brautführer und die Braut, ein anderer Auffänger und die Gespielin und hie und da der Geselle und ein anderes von ihm gewähltes Mädchen. Die Brautleute, Gespielinnen, Gesellen und Brautführer und Auffänger tragen künstliche Blumensträuße oder vergoldete Rosmarinstengel an der Brust, und zwar das weibliche auf der rechten, das männliche Geschlecht auf der linken Seite, lezteres zugleich einen Strauß auf dem Hut. In manchen Orten trägt die Braut und Gespielin einen eigenthümlichen, kranzförmigen, aus künstlichen Blumen und Flittergold zusammengesezten Kopfputz, die sog. »Schappel«. Beim Weggehen der angeseheneren, besonders auswärtigen Hochzeitgästen aus dem Wirtshause werden denselben von einem Theil der Musikanten[395] vor der Hausthüre oder aus den Fenstern noch ein oder einige lustige Stücke aufgespielt165.

165

Oberamtsbeschr. von Freudenstadt S. 23 ff.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 394-396.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sitten und Gebräuche
Sitten und Gebräuche